Fachtagung Mech Fa a ch t t r a o g n un i g k 2019 M Pad e e c rb h o a rn t , r 2 o 7 n .-2 i 8 k .0 2 3. 0 20 1 1 7 9 Dresden, 09.-10.03.2017 Jan Braun/HNF Veranstaltungsort: Heinz Nixdorf MuseumsForum Fürstenallee 7, 33102 Paderborn  Mechatronische Produkte (neue Funktionalitäten, Industrie 4.0, Kosten Nutzerfreundlichkeit und Akzeptanz (Assistenzsysteme, Schnittstellen, Interaktion, effizienz, Zuverlässigkeit,...) Gesetzgebung,...)  Ressourceneffizienz (Energie, Material, …)  Systemvernetzung und Systemintegration (Konzepte, Verfahren,...)  Automatisierte Mobilität  Smarte Aktoren (Konzepte, Modelle, Sensorik)(Konzepte, Beispiele,...)  Systems Engineering und Entwicklungsmanagement  Serienfertigung mechatronischer Produkte (Fallbeispiele, Komponenten, Architektur, (Prozesse, Verfahren, Software,...) Qualitätsmanagement,...)  Innovative Konzepte und digitale Geschäftsmodelle (Modelle, Regelung, Optimierung, Eco-Systeme) www.VDI-Mechatroniktagung.de Entwicklung mechatronischer Systeme und Modulleichtbau: Anforderungen am Beispiel von Unmanned Aerial Vehicles(UAVs) Developing mechatronic systems and modular-lightweight: Requirements using the example of unmanned aerial vehicles Prof. Dr.-Ing. Iris Gräßler, Xiaojun Yang, Universität Paderborn, Heinz Nixdorf Institut, 33102 Paderborn, Deutschland, iris.graessler@hni.upb.de, xiaojun.yang@hni.upb.de Kurzfassung Modulleichtbau bietet Potenziale zur Realisierung kostengünstiger, kundenindividueller und energieeffizienter Produkte. Allerdings bedingt die Modularisierung mit dem Ziel der Mehrfachverwendung von Modulen häufig eine Überdimensionierung und widerspricht dadurch dem Kerngedanken von Leichtbau. Die interdisziplinäre Entwicklung von mechatronischen Systemen verstärkt die Notwendigkeit von Trade-Offs, da alle involvierten Disziplinen unmittelbaren Einfluss auf die Definition der Produkt-Architektur haben. Bislang wird dem Zielkonflikt durch ein iteratives Vorgehen begegnet. Zur Verringerung der Iterationsschleifen und Verkürzung der Produktentwicklung werden die Anforderungen in ein Zielsystem überführt und daraus Entscheidungskriterien zwischen Modularisierung eines mechatronischen Systems und den Potenzialen von Leichtbau abgeleitet. Die Validierung erfolgt am Beispiel eines Unmanned Aerial Vehicles(UAV) und erlaubt Folgerungen bezüglich der Einbindung von Modulleichtbau in das Vorgehen nach VDI 2206. Abstract Modular lightweight design offers potentials for realizing cost-effective, customer specific and energy efficient products. However, modularization to allow multiple use of modules often implies oversizing of modules. Therefore, modular lightweight design is contradictory to the core idea of lightweight design. The interdisciplinary development of mechatronic systems increases the need for trade-offs between lightweight design and modularization, since all disciplines involved have a direct influence on the definition of the product architecture. These trade-offs lead to a highly iterative approach. To reduce iteration loops and shorten product development time, the requirements are transferred into a target system and decision criteria between the modularization of a mechatronic system and the potentials of lightweight design are derived. Validation is based on an Unmanned Aerial Vehicle(UAV). The results are used to draw conclusions regarding the integration of modular lightweight design into the product development procedure according to VDI 2206. 1 Einleitung Anbieter mechatronischer Systeme stehen vor der Herausforderung, Produkte kostengünstig mit einem hohen Individualisierungsgrad bei einem kurzen Entwicklungszyklus zu realisieren. Modularisierung bietet geeignete Potenziale zur Überwindung dieser Herausforderungen. Die modulare Bauweise soll sowohl zu einer Komplexitätsreduktion als auch zu ökonomischen Skaleneffekten durch die Mehrfachverwendung von einzelnen Modulen führen.[1] Das Ziel von Leichtbau sind belastungs- und gewichtsoptimierte Strukturen ohne Beeinträchtigung der geforderten Funktionen. Dies wird durch eine exakte Auslegung des Produktes auf einen Anwendungsfall erreicht. Die Gewichtsreduktion kann Vorteile für die Auslegung der Elektronik und der IT-Systeme bedeuten: Ein geringeres Gewicht resultiert in niedrigeren Leistungsanforderungen an Aktoren und andere elektrische Komponenten; Anforderungen an die Reaktionszeit der Regelung werden durch das geringere Trägheitsmoment reduziert. Mit der Kombination von Modularisierung und Leicht bau(„Modulleichtbau“) wird eine Übertragung der Vorteile der Modularisierung auf den Leichtbau angestrebt[3]. Die kommunale Verwendung von Modulen und die dadurch bedingte Überdimensionierung widersprechen jedoch dem Kerngedanken von Leichtbau. Bislang wird dem Zielkonflikt durch ein iteratives Vorgehen begegnet[4]. Die interdisziplinäre Entwicklung von mechatronischen Systemen verstärkt die Notwendigkeit von Trade-Offs zwischen Leichtbau und Modularisierung, da alle involvierten Disziplinen unmittelbaren Einfluss auf die Definition der Baustruktur haben. Aus diesem Grund werden in diesem Beitrag Anforderungen an die Entwicklung von mechatronischen Leichtbauprodukten durch eine literaturbasierte Sekundäranalyse identifiziert und bewertet. Diese werden anschließend um Anforderungen bezüglich der Modularisierung erweitert. Die abgeleiteten Anforderungen werden in ein Zielsystem zur Bewertung der konfliktären Anforderungen für die Entwicklung modularer mechatronischen Leichtbauprodukte überführt. Auf dieser Grundlage werden Anforderungen – insbesondere in der direkten Verbindung von Modulleichtbau und Mechatronik – disziplinübergreifend in Bezug auf konfliktäre und unterstützende Ziele identifiziert. In diesem Beitrag wird aufbauend auf dem Vorgehen nach VDI 2206[2] und dem Modulleichtbau nach Gumpinger[5] ein angepasstes Vorgehen vorgestellt. Die Validierung erfolgt am Beispiel der Entwicklung eines Unmanned Aerial Vehicle(UAV). Der Beitrag gliedert sich 167 in fünf Abschnitte. Im Stand der Technik(Kap. 2) werden aktuelle Forschungsarbeiten aus den Bereichen Modulleichtbau, der Entwicklung mechatronischer Systeme und dem Anforderungsmanagement vorgestellt. Aus der Analyse dieser drei Bereiche werden spezifische Anforderungen an die Entwicklung von Leichtbauprodukten, mechatronischen Produkten und modularen Produkten identifiziert und zu einem Zielsystem aggregiert(Kap. 3). Konfliktäre Anforderungen werden identifiziert und bilden den Ausgangspunkt für die Definition eines angepassten Vorgehens(Kap. 4). In Kapitel 5 wird die Anwendung der Methode auf die Entwicklung eines UAVs zur Validierung der spezifischen Anforderungen beschrieben. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick in Kapitel 6 ab. 2 Stand der Technik In diesem Kapitel werden Grundlagen und aktuelle Entwicklungen von Modulleichtbau, Entwicklung mechatronischer Produkte und Anforderungsmanagement vorgestellt, um daraus die Entwicklung und die Anforderungen an die Entwicklung von modularen, mechatronischen Leichtbrauprodukten abzuleiten. 2.1 Modulleichtbau Der Modulleichtbau soll die Vorteile von Modularisierung und Leichtbau vereinen. Modulare Produktstrukturen sollen einen hohen Wiederverwendungsanteil von Komponenten(Modulen) bei gleichzeitig möglichst geringem Gewicht ermöglichen[5]. Modularisierung bedeutet eine Verringerung von Abhängigkeiten zwischen Systemelementen(Modulen) bzw. eine Reduktion von Schnittstellenvarianten. Die Reduzierung von verwendeten Komponenten und von Unterschieden in Fertigungs- und Beschaffungsprozessen impliziert eine geringere Komplexität und weniger dadurch erzeugte Kosten[6]. Gleichzeitig werden Kosten durch Skaleneffekte der höheren Produktionsmengen der verwendeten Komponenten gesenkt. Leichtbau strebt eine belastungs- und gewichtsoptimierte Struktur an. Der Leichtbau widerspricht implizit den Prinzipien von vereinheitlichten Schnittstellen zwischen Modulen und der kommunalen Verwendung in unterschiedlichen Produkten anstelle der exakten Optimierung auf spezifische Lastfälle. Die Standardisierung von Schnittstellen schränkt konstruktive Leichtbaulösungen ein. Dieses Spannungsfeld zwischen der Erreichung von möglichst kostengünstigen, komplexitätsreduzierten modularen Baustrukturen auf der einen Seite und der Gewichtsreduktion durch individuell angepasste Leichtbauteile auf der anderen Seite adressiert das Forschungsfeld des Modulleichtbaus[3]. Gumpinger[5] hat hierzu ein Entwicklungsvorgehen definiert. Das Ziel ist die Festlegung einer leichtbauoptimierten Baustruktur, die eine sukzessive Erhöhung des Leichtbaugrads der Module ermöglicht. Innerhalb von vier Phasen werden zuerst alle Informationen zusammengetragen und daraus ein Systemmodell abgeleitet. Dieses Systemmodell beinhaltet bereits eine Definition von Varianten und eine Zuordnung von Funktionen zu Modulen. Diese Modulaufteilung und die Festlegung von Schnittstellen werden in der zweiten Phase unter Gesichtspunkten des Leichtbaus überarbeitet. Nicht notwendige Schnittstellen werden eliminiert, erforderliche Schnittstellen zwischen den Modulen ausgelegt. Die Module werden in der nächsten Phase variantenübergreifend spezifiziert. Im letzten Schritt werden die dabei entstandenen Module unter den drei Gesichtspunkten des Struktur-, Material- und Systemleichtbaus optimiert und deren Gewicht reduziert. Dieses Vorgehen soll eine gewichtsoptimierte modulare Struktur der Produktfamilie schaffen. 2.2 Entwicklung mechatronischer Produkte In der Entwicklung mechatronischer Produkte sollen die involvierten Disziplinen(Mechanik, Elektronik und Softwaretechnik) synergetisch zusammenarbeiten. Die Verwendung von Modellen zur gemeinsamen Systembeschreibung ist dabei ein wesentlicher Aspekt zur Beherrschung des Entwicklungsprozesses. Eine etablierte Vorgehensweise zur Entwicklung mechatronischer Systeme beschreibt die VDI-Richtlinie 2206 mit dem V-Modell als Kernelement. Basierend auf dem V-Modell als Makrozyklus, der allgemeinen Problemlösung auf Mikroebene und vordefinierten Prozessbausteinen werden mechatronische Systeme entworfen und in den einzelnen Domänen mittels bestehender Entwicklungsmethoden entwickelt.[2] Das V-Modell beschreibt die Teilschritte  Systementwurf mit Gesamtkonzept  Detaillierung in den spezifischen Entwurfsdomänen  Zusammenführung der Lösungen der Einzeldomänen in der Systemintegration  Eigenschaftsabsicherung Die komplexe interdisziplinäre Entwicklung erfordert mehrere Iterationen durch das V-Modell[2]. Prozessbausteine detaillieren die Abläufe während der Hauptphasen. Die einzelnen Phasen im Systementwurf ähneln den Schritten der VDI-Richtlinie 2221[7]. Die Probleme werden abstrahiert, Funktionen modelliert, Wirkprinzipien gesucht und Lösungen ausgewählt. Innerhalb dieses Schrittes werden die Baustruktur und Module festgelegt. Anschließend wird anhand der System-Architektur das domänenübergreifende Lösungskonzept definiert. Aktuelle Forschungsthemen bei der Entwicklung mechatronischer Produkte beziehen sich unter anderem auf eine stärkere Einbindung von Informationssystemen[8], die Entwicklung von Cyber-Physischen Systemen(CPS)[9] und den Einsatz von agilen Methoden[10]. 2.3 Anforderungsmanagement Der erste Schritt der Produktentwicklung ist die Klärung und Präzision der Aufgabenstellung. Hierzu werden alle relevanten Produktanforderungen erhoben und analysiert. Anforderungen sind geforderte Funktionen und Eigenschaften eines Produktes[11]. Die definierten Anforderungen werden in eine Funktionsstruktur, dann in Produktmerkmale und deren Ausprägungen im Rahmen des Entwicklungsprozesses umgesetzt[12]. Vollständige und 168 eindeutig formulierte Anforderungen sind wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Produktentwicklung[12]. Die eindeutig definierten Anforderungen werden auf Konflikte untersucht und gewichtet. In Beziehung stehende Anforderungen werden bewertet und Zielfunktionen werden für konfliktäre Anforderungen erarbeitet. Basierend auf den Anforderungen wird ein Produkt entwickelt. Im Rahmen der Entwicklung können Anforderungen sich verändern oder detailliert werden. Die ständige Überprüfung, Anpassung, Versionierung und Kommunikation der Anforderungen findet durch das Anforderungsmanagement statt[12]. Die Abschätzung der Veränderungen von Anforderungen, der Ermittlung der Wirkzusammenhänge und die vereinfachte Darstellung von Anforderungszusammenhängen und die Entwicklung von Methoden zur verbesserten Anforderungserhebung bilden dabei wesentliche Forschungsthemen in dem Bereich der Anforderungsberücksichtigung in der Produktentwicklung. Der Leichtbau mit dem Ziel eines möglichst geringen Produktgewichts bildet dabei einen wesentlichen Einflussfaktor. Die Gewichtsminimierung als Ziel hat dabei wesentlichen Einfluss auf alle anderen Anforderungen und bedarf einer gesonderten Berücksichtigung. 3 Anforderungen an die Entwicklung mechatronischer Produkte In diesem Kapitel werden die Anforderungen an die unterschiedlichen Aspekte der Entwicklung von mechatronischen Modulleichtbauprodukten dargestellt. 3.1 Anforderungen durch Mechatronik Mechatronische Systeme sind durch die räumliche und funktionelle Integration von Systemelementen aus Mechanik, Elektronik und Softwaretechnik geprägt. Anforderungen an die Entwicklung von mechatronischen Systemen zielen auf eine Komplexitätsbeherrschung und eine möglichst gute Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen ab. Diese sind nachfolgend aufgeführt[2,3]:  Während der Entwicklung müssen die Wechselwirkungen innerhalb des Systems so früh wie möglich berücksichtigt werden.  Modellbasierte Produktentwicklung soll die Simulation eines Gesamtmodells ermöglichen.  Methoden zur Strukturierung und Hierarchisierung sind anzuwenden, um geeignete Strukturen zur Komplexitätsverringerung innerhalb des mechatronischen Systems zu realisieren.  Eine frühe Modellbildung und Simulation ermöglicht eine Bestimmung des Systemverhaltens bereits in frühen Entwicklungsphasen.  Eine integrierte Eigenschaftsabsicherung ist fortlaufend durchzuführen. Lösungen für mechatronische Systeme bestehen aus Teillösungen der unterschiedlichen Disziplinen und sind daher sehr heterogen geprägt. Das Ziel ist die synergetische Nutzung der domänenübergreifenden Zusammenarbeit mit der Absicht, ein Gesamtoptimum zu erreichen[2]. 3.2 Anforderungen durch Modulleichtbau Leichtbau strebt eine belastungs- und gewichtsoptimierte mechanische Struktur ohne Beeinträchtigung der Systemfunktionen und-eigenschaften wie z.B. Steifigkeit und Festigkeit an[4, 13]:  Minimierung des Eigengewichts  Optimale Ausnutzung der Belastungsfähigkeit  Erreichung einer bestimmten Lebensdauer  Erreichung bestimmter Zuverlässigkeiten/Sicherheiten  Herstellbarkeit  Montierbarkeit/ Handbarkeit  Inspizierbarkeit/ Wartbarkeit/ Instandsetzbarkeit  Umwelt/Recycling etc. Die Kosten der Gewichtseinsparungen durch höhere Material- und/oder Prozesskosten müssen durch einen entsprechenden Nutzen aufgewogen werden[1]. Die Anwendung eines Gewichts- und Kostenmodells, welches parameterbasiert Abhängigkeiten zwischen dem Strukturgewicht, den Herstellkosten und dem wirtschaftlichen Nutzwert abbildet unterstützt bei der Festlegung der Maßnahmen[13]. Eine wesentliche Entscheidung bildet hierbei die Festlegung der Baustruktur und die Verwendung von individualisierten oder standardisierten Modulen. Standardisierte Module sollen eine hohe Kommunalität zur Mehrfachverwendung erreichen. Die Module müssen kombinierbar sein um eine möglichst hohe Produktvariation zu ermöglichen. Die Schnittstellen sind zu standardisieren. Dies umfasst sämtliche relevanten Merkmalausprägungen, die für die Verbindung von Modulen maßgebend sind, wie z.B. Geometrie und Datenformat. Dies ermöglicht die Verbindung unterschiedlicher Module[6]. Modulare Produkte bieten wirtschaftliche und technische Vorteile. Um diese Potenziale auch für Leichtbau nutzen zu können, muss eine Abwägung zwischen den Kosten und den Nutzen von standardisierten Modulen gegenüber Gewichtseinsparungen durch individualisierte Modulen vorgenommen werden. Dies entspricht dem Vorgehen des Modulleichtbaus. Die Widersprüche und Zielkonflikte müssen sichtbar werden, um notwendige Konzeptänderungen möglichst früh im Prozess zu erkennen. 3.3 Entwicklung eines gemeinsamen Zielsystems zur Bewertung von Anforderungen Die konfliktären Anforderungen aus Modularisierung, Leichtbau und mechatronischer Entwicklung erfordern zahlreiche Abwägungen. Dazu wurde ein Zielsystem entwickelt, welches die Anforderungen bewertbar und vergleichbar macht. Nachfolgend werden die generischen Teile des Zielsystems beschrieben. Die Validierung des Ergebnisses in Bezug auf ein konkretes Beispiel findet in dem Kapitel 5(Entwicklung eines UAV) statt. Im Folgenden werden die Wechselwirkungen zwischen Leichtbau und Modularisierung für mechatronische Systeme dargestellt. Nachfolgend werden die wesentlichen Entscheidungskriterien weiter beschrieben. Die Entscheidungskriterien wurden aus konkreten Anforderungen an 169 modulare Produkte[6,12,14], Leichtbauprodukte[1,14] und mechatronische Produkte[2,3] abgeleitet. In allen drei Fällen wurden die Anforderungen aus der Literatur abgeleitet. Die dabei aufgenommenen Anforderungen wurden in Beziehung zueinander gesetzt und in einer Matrix wurden die Konsistenz und Korrelationen zwischen den Anforderungen aufgenommen. Diese Anforderungen wurden anschließend geclustert und bezüglich des Konflikts bzw. Verbesserungspotenzials hinsichtlich Modularisierung, Leichtbau und Mechatronik extrahiert. Die dadurch abgeleiteten Anforderungen entsprechen somit den wesentlichen Entscheidungskriterien des Zielsystems bei der Entwicklung mechatronischer Produkte unter Anwendung von Modulleichtbau. Zielkonflikte sind: A1. Durch Skaleneffekte bedingte wirtschaftliche Vorteile gegen die überdimensionierende Gewichtskosten und daraus ergebende Kosten von Leistungserhöhung für mechatronische Systeme Skaleneffekte ergeben sich aus der Kommunalität der Module, die einen wirtschaftlichen Vorteil für die Produktion von mechatronischen Systemen bringt(z.B. wirtschaftliche gewichtseffizientere Fertigungsalternativen). Zur Realisierung der Kommunalität ist eine Überdimensionierung erforderlich, wenn ein mehrfach verwendetes Modul an den höchsten Lastfall angepasst wird. Das verhindert die Erreichung des optimalen Leichtbaus und führt zu einer Gewichtssteigerung und einer Erhöhung der Leistungsanforderungen an elektrische Komponenten eines mechatronischen Systems. A2. Durch die Kommunalität der Prozesse reduzierende Komplexitätskosten(wie z.B. Mehrfachverwendung der Prozesse von Beschaffung, Herstellung) gegen den erhöhten Entwicklungsaufwand von Leichtbaustrukturen Die Kommunalität der Prozesse führt zu einer reduzierten Komplexität z.B. bei der Beschaffung und Produktion. Allerdings erhöht die Kommunalität die Komplexität der Konstruktion einer Leichtbaustruktur, die an mehrere Anwendungssituationen optimal angepasst werden muss. Somit erschwert die interdisziplinäre Zusammenarbeit die Entwicklung von mechatronischen Systemen, da die Definition der Baustruktur unmittelbaren Einfluss auf alle involvierten Disziplinen hat. A3. Durch eine hohe Kombinierbarkeit der einzelnen Module eingesparte Komplexitätskosten(geringe interne Vielfalt) gegen den erhöhten Entwicklungsaufwand von Leichtbaustruktur bezüglich der standardisierten Schnittstellen. Standardisierte Schnittstellen ermöglichen die Kombinierbarkeit der Module, sodass eine hohe externe Vielfalt durch eine geringe interne Vielfalt abgebildet werden kann. Hierdurch steigen gegenüber einem Einzelprodukt die Anzahl und Art von Beziehungen, sowie die Anzahl und Art der Elemente. Dieser größere Betrachtungsumfang steigert die Komplexität für die Entwicklung von Leichtbaukonstruktion. Leichtbau optimiert die Schnittstellen eines Gesamtsystems. A4. Die von Leichtbau und mechatronische Systeme geforderte Funktionsintegration gegen die dezentralen Funktionsträger von modularen Systemen Auf einer Seite soll Modularisierung eine abgeschlossene Funktionalität in einzelnen Modulen erbringen, auf der anderen Seite strebt sie allerdings zu einer Maximierung der funktionalen Unabhängigkeit zwischen den Modulen. Durch die abgeschlossene Funktionalität müssen Module ein in sich geschlossenes System bilden. Dies schränkt jedoch den konstruktiven Lösungsraum für den Leichtbau und mechatronische Systeme ein. A5. Die von Leichtbau und mechatronischen Systemen geforderte räumliche Integration gegen die differenziale Bauweise von Modularisierung Die von der Modularisierung meist genutzte differenziale Bauweise steht die grundlegende Anforderung von mechatronische Systeme und Leichtbau an die räumliche Integration. 4 Methodische Berücksichtigung der Anforderungen im Entwicklungsprozess Das Zielsystem bildet die Grundlage für eine Entscheidungsunterstützung bei der Auswahl von Lösungsalternativen in der Entwicklung von mechatronischen Modulleichtbau-Produkten. Nachfolgend soll dieses Zielsystem in die methodische Vorgehensweise des V-Modells[2] unter Berücksichtigung des Modulleichtbaus einbezogen werden und das V-Modell entsprechend angepasst werden. Posner[4], Luedeke[3] und Gumpinger[5] haben jeweils für zwei der drei Aspekte eine Entwicklungsmethode entwickelt. Luedeke[3] beschreibt hierbei die Entwicklung von mechatronischen Leichtbauprodukten, Posner[4] und Gumpinger für die Kombination aus Leichtbau und Modularisierung. Es gibt zudem weitere Methoden zur Verbindung von Modularisierung und Entwicklung mechatronischer Produkte, jedoch sind wesentliche Aspekte davon bereits in der VDI 2206[2] enthalten. Zudem wurden Konflikte zwischen Modulleichtbau und Entwicklung mechatronischer Systeme in Abschnitt 3.3 nicht als zentrale Entscheidungskriterien identifiziert. Wesentlicher Aspekt in der Entscheidungsfindung in dem definierten Zielsystem ist die Auswahl der Baustruktur und die Festlegung der Module sowie Schnittstellen. Diese Auswahl findet nach dem V-Modell im Rahmen des Systementwurfs nach Abschluss der Auswahl von Prinziplösungen statt[2]. Für die Ausgestaltung des Entwicklungsvorgangs kann sich auf die bestehenden Methoden von[3, 4, 5] und das V-Modell bezogen werden. Der Baustruktur muss wie in Abschnitt 3.3 definiert eine Entscheidung über die Auswahl zwischen individualisiertem und standardisiertem Modul vorausgegangen sein. Hierzu soll anhand der festgelegten Entscheidungskriterien zusammen mit der Gewichtung der Bewertungskriterien eine Entscheidung zu diesem Zeitpunkt ermöglicht werden. Ein wesentliches Problem stellt hierbei dar, dass die erreichbaren Leichtbauziele erst im Rahmen der Entwicklung ermittelt werden 170 und für eine Entscheidung im Systementwurf prognostiziert werden müssen. Iterative Durchläufe durch die Produktentwicklung sind wegen der ungenauen Leichtbauziele somit zwingend erforderlich. Das Vorgehen zur Entwicklung von modularisierten Leichtbau-Mechatronikprodukten geschieht unter den folgenden Aspekten:  Berücksichtigung des komplexen Charakters der Gewichtsoptimierung  Frontloading von Gewichtsoptimierungsansätzen in frühe Entwicklungsphasen  Ständige Kontrolle und Überwachung des Zielmerkmals bzw. der Zieleigenschaft über den ganzen Produktentwicklungsprozess mithilfe eines Vergleichswertes  Bereitstellung von an die Analysen angepasste Kontroll- und Bestimmungsmethoden  Reduzierung von Makrozyklen und damit Erhöhung von Mikrozyklen zur schnelleren Erhöhung der Produktreife  Berücksichtigung der Komplexität, Heterogenität und Interdisziplinarität der Mechatronik  Illustration von Systemabhängigkeiten zur Bestimmung von Eigenschaftsänderungen  Illustration von weiteren Gewichtseinsparpotenzialen  Einbinden von vorhandenen mechatronischen Lösungen in die Methodik  Berücksichtigung der Wechselwirkungen(siehe Kapitel 3) zwischen den drei Aspekten: Modularisierung, Leichtbau und mechatronischen Systemen Die Übertragung dieser Aspekte auf das V-Modell ist in dem nachfolgenden Bild 1 verdeutlicht. In der Phase der Festlegung der modularen Systemstruktur wird das Rahmenwerk für die folgenden Entwurfs- und Optimierungsschritte geschaffen. Die Randbedingungen und die Ziele, wie Lastfälle und Zielmasse, werden hinterlegt. Die modulare Struktur unterstützt die Systemanalyse sowie bei der Planung, Bewertung und Durchführung von Leichtbaumaßnahmen. Danach werden die Modulaufteilung und Schnittstellen überarbeitet. Die Modulaufteilung wird mit dem Ziel untersucht, aus Sicht der mechatronischen Leichtbausysteme notwendige funktionelle und räumliche Integration zu ermöglichen. Darüber hinaus sind die nicht notwendigen Schnittstellen zu hinterfragen und in Abstimmung mit der Modularisierung einzusparen. Im dritten Schritt werden die Module varianten- sowie domänenübergreifend dimensioniert. Da sich die Module gegenseitig beeinflussen, sind für eine optimale Anpassung die varianten- und domänenübergreifenden Kopplungen einzubeziehen. Die Dimensionierung der Module wird auf unterschiedlichen Lastsituationen in Abstimmung zwischen unterschiedlichen Disziplinen festgelegt. Leichtbau Modulleichtbau Modularisierung Leichtbaugrad modulspezifisch erhöhen ModufleasretleSgterunktur ScMhnoidttusltaeullfetneilüubnegraurnbdeiten Module variantenübergreifend dimensionieren Bild 1 Anforderung von Modulleichtbau an die Entwicklung von mechatronischen Systemen Abschließend werden weitere Leichtbaupotenziale von den modularen mechatronischen Systemen untersucht, um einen höheren Leichtbaugrad zu erreichen. Um den Aufwand dafür gering zu halten, werden im vierten Schritt besonders gewichtssensitive Module mithilfe einer Sensitivitätsanalyse identifiziert, validiert und je nach dem Bedarf eine neue Iteration gestartet. Eine Gewichtsreduzierung von mechanischen Komponenten kann zu einer geringeren Leistungsanforderung von elektrischen und informatischen Komponenten oder sogar zu einer Erhöhung der Systemleistung führen. 5 Umsetzung am Beispiel der Entwicklung eines UAV Die abgeleiteten Anforderungen zur Entwicklung mechatronischer Modulleichtbau-Produkte wurden anhand der Optimierung eines Unmanned Aerial Vehicles(UAV) validiert. Ein UAV ist ein mechatronisches Produkt, das im Wesentlichen aus mechanischen Komponenten(Propeller, Gehäuse, Landgestell), elektrischen Komponenten(Motor, elektrische Steuerung, Anschlüsse, LED, Batterie) und Software-Komponenten besteht. Ziel der Optimierung war die Erhöhung der Reichweite durch eine Gewichtsreduzierung ohne eine Erhöhung der Batteriekapazität. Die alte Generation des UAV hat ein Gewicht von 948g. Die bisherige Reichweite von 6 km soll um mehr als 30% erhöht werden. Bei dem neuen Entwurf sollen aus wirtschaftlichen Aspekten möglichste viele Teile der Vorgängerversion verwendet werden. Die Software und die Leistung der Batterie sollen beibehalten werden. Der Zielkonflikt konnte durchgängig während der Entwicklung dargestellt werden, weswegen es möglich war 171 die Auswirkungen von Anpassungen in der Entwicklung zu bewerten. Das im Kapitel 3 beschriebene Zielsystem ist bezogen auf die Anforderungen im Wesentlichen in den nachfolgend dargestellten Fällen zu berücksichtigen. A1: Zur Realisierung von Skaleneffekten ist es erforderlich Komponenten älterer Versionen zu nutzen. Allerdings enthält das neue kompakte Design des Gehäuses unter Verwendung von leichtem und stabilem carbonfaserverstärktem Kunststoff(CFK) ein großes Potenzial zur Reduzierung des Gesamtgewichts von UAVs. Das führt direkt zu einer Erhöhung der UAV-Leistung ohne notwendige Optimierung der Software und der elektrischen Komponenten. Die Erreichung der technischen Ziele(im Wesentlichen die Reichweitenerhöhung) unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird dadurch vereinfacht. In der Betrachtung von A2 birgt z.B. die Kommunalität der Herstellung von den Kameraauflagen aus unterschiedlichen UAV-Serien einen wirtschaftlichen Vorteil. Die komplexen Belastungsberechnungen für die Kameraauflagen aus unterschiedlichen UAV-Serien stellen eine große Herausforderung für die disziplinäre Zusammenarbeit dar. In Rahmen von A3 kann eine hohe Kombinierbarkeit durch standardisierte Schnittstellen zwischen den UAV-Modulen erreicht werden. Dies steht jedoch dem Leichtbauprinzip, einer gewichts- und belastungsoptimalen Struktur, gegenüber. Bezüglich A4 und A5 sollen die von Leichtbau geforderten Integralbauweise sowie Funktionsintegration eines UAVs zum Tragen kommen. Im Gegensatz dazu führen die modulare Bauweise bzw. dezentrale Funktionsträger in den einzelnen Modulen zu verbesserten Wartungseigenschaften und Funktionserweiterung. Eine gute Instandhaltbarkeit stellt einen wichtigen Marketingfaktor für die teuren UAVs dar. 6 Zusammenfassung und Ausblick Diese Arbeit basiert auf einer Literaturrecherche in den Bereich Modulleichtbau, Entwicklung von mechatronischen Systemen und Anforderungsmanagement. Darauf aufbauend wurde ein Zielsystem zum Vergleich und zur Bewertung von konfliktären Anforderungen von modularen mechatronischen Leichtbauprodukten entwickelt. Anschließend wurde die Vorgehensweise VDI 2206 zur Entwicklung mechatronischer Produkte mit der Entwicklungsmethode von Gumpinger zur Entwicklung von Modulleichtbauprodukten zu einem integrierten Vorgehen kombiniert. Das entwickelte Zielsystem dient hierbei zur Entscheidungsunterstützung während der gesamten Produktentwicklung bezüglich konfliktärer Anforderungen aus Mechatronik, Modularisierung und Leichtbau. Die dafür zu Grunde liegenden Anforderungen wurden im Rahmen der Optimierung eines UAV angewendet und validiert. In Zukunft soll eine Paretofront Zur Entscheidungsunterstützung der konfliktären Anforderungen abgeleitet werden. Konkrete Methoden zur Erfüllung der Anforderungen in der einzelnen Phase der angepassten VDI 2206 sollen erforscht werden. Zudem sollen das Zielsystem und die in diesem Beitrag vorgestellte Vorgehensweise ganzheitlich durch die Anwendung in einem Entwicklungsprojekt validiert werden. 7 Literatur [1] Lüdeke, T.F.: Beitrag zur gewichtsoptimierten Entwicklung mechatronischer Produkte. Technische Fakultät II, Universität des Saarlandes, S. 19, 2016. [2] Verein Deutscher Ingenieure: VDI-Richtlinie 2206 Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme. Düsseldorf, VDI-Verlag, 2004. [3] Wiedemann, J.: Leichtbau Elemente und Konstruktion. 3. Aufl. Berlin/Heidelberg: Springer, S.1, 10, 2007. [4] Posner, B.: Methodik zum leichtbaugerechten Konzipieren. Institut für Konstuktionstechnik und Technisches Design, Universität Stuttgart, S.10, 32, 2016. [5] Gumpinger, T.: Modulleichtbau – Methodische Unterstützung des Leichtbaus modularer Produktfamilien. TU Hamburg-Harburg. Tu Tech Verlag, Hamburg, S.12, 49, 62, 2015. [6] Krause, D.; Gebhardt, N.: Methodische Entwicklung modularer Produktfamilien, Springer Verlag Berlin, 2017, S.10.[] [7] Verein Deutscher Ingenieure: VDI-Richtlinie 2221 Methodik zum Entwickelnund Konstruieren technischer Systeme und Produkte. Düsseldorf, VDIVerlag, 1993. [8] Gräßler, Iris; Hentze, Julian; Yang, Xiaojun: Eleven Potentials for mechatronic V-model. In: Production Engineering and Management, 6th International Conference, Band 01/2016, S. 257-268, 29.- 30. Sep. 2016 Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Ostwestfalen-Lippe University of Applied Sciences, Lemgo [9] Gräßler, Iris; Hentze, Julian: Structuring and Describing Requirements in a Flexible Mesh for Development of Smart Interdisciplinary Systems. In: 8th ECCOMAS Thematic Conference on Smart Structures and Materials(SMART17), S. 16221631, Madrid, Spain, 5.- 8. Jun. 2017, International Center for Numerical Methods in Engineering [10] Gräßler, Iris; Hentze, Julian; Bruckmann, Tobias: VModels for Interdisciplinary Systems Engineering. In: Marjanovic, Dorian; Storga, Mario; Pavkovic, Neven; Bojcetic, Nenad; Skec, Stanko(Hrsg.) Proceedings of the DESIGN 2018 15th International Design Conference, S. 747-756 [11] Koller, R.: Konstruktionslehre für den Maschinenbau. 4. Überarbeitete Auflage. Springer, Berlin, Heidelberg, 1988. [12] Lindemann, U.: Handbuch Produktentwicklung. Verlag Hanser, ISBN: 978-3-446-44518-5, 2016, S.426. [13] Klein, B.: Leichtbaukonstruktion. 8. Auflage. Vieweg+ Teubner Verlag, 2009, S.1, 3. [14] Schuh, G.: Produktkomplexität managen: Strategien – Methoden – Tools. Carl Hanser Verlag München Wien 2005 172